von Tigger » Sa 23. Nov 2013, 12:10
Im Gegensatz zu Katrin warte ich nun nicht, bis auch die letzte Vorstellung vorbei ist und ich keinen beeinflusse, dazu hat mich das gestern zu sehr beeindruckt
Gestern wurden ein paar Vorurteile abgebaut. Zum Beispiel bei mir gegen moderne Inszenierungen. Das letzte Theaterstück, das ich gesehen habe, war so ein “klassischer” Faust. Und nun also ein Dokumentartheater über “mein” Leben von jemandem, der das als Außenstehender versucht zu vermitteln. Ohne die Verbindung übers Forum wäre ich wohl nicht hingegangen. Es überwog aber die Neugierde, wer denn wohl Interesse zeigt. Nur Soldatenfamilien? Oder tatsächlich die “freundlich desinteressierte” Bevölkerung? Oder gar niemand?
Es waren etwa 50 Zuschauer versammelt. Einige junge Frauen (vielleicht Soldatenpartnerinnen??), etliche Theaterbesucher mit Abo – und zwei Soldaten in Uniform.
Als kleine Einführung wurde noch berichtet, wie das Projekt zustande gekommen ist, auch in Hinblick auf die sehr unterschiedlichen Unterstützer. Jeder hatte sich mit Vorsicht an das Thema angenähert, kann so etwas denn funktionieren?
Die Aufführung selbst war eine Mischung aus Videoeinblendungen von Interviews mit Partnerinnen von Soldaten und einer schauspielerischen Umsetzung der Gefühlswelt. Die vier Interviewten zeigten schön, wie breit das Spektrum des verallgemeinernden Begriffs der Soldatenfrau ist – von der langjährigen Ehefrau mit breitem Erfahrungsschatz bis hin zur Freundin, die das Leben mit der Bw erst noch kennenlernt und der das Frisch-Verliebtsein aus den Augen leuchtete.
Beispielsweise wurde berichtet, wie sich die Paare kennengelernt haben, einschneidende Erlebnisse aus der Einsatzzeit, wie das Wiedersehen ausgemalt wurde und ob sich die Männer (und die Frauen bzw. die Beziehung) verändert haben, bis hin zur Frage: würdet ihr euch wieder für dieses Leben entscheiden? Alles sehr ruhig und besonnen vorgetragen.
Die Schauspielerin führte zwischen den Sequenzen in das Gefühlschaos ein, das hinter diesen Fakten steckt. Wenn man einerseits die doofen Witze anhören muss, andererseits in den Nachrichten mit den Eckdaten von Verletzten und Toten konfrontiert wird. Mit der Einsamkeit und mit den vielen Aufgaben, um die man sich kümmern muss. Mit der Vorbereitung aufs Wiedersehen und der vorsichtigen Annäherung. Mit der persönlichen Betroffenheit im Alltag und der politischen Dimension.
Als jemand, der das selbst alles durchlebt hat, war die Symbolik gut nachzuvollziehen. Inwieweit das die übrigen Zuschauer nachdenklich gemacht hat, hat mich aber auch sehr interessiert. Und dankenswerter Weise hat das Theater ermöglicht, dass nach der Vorstellung noch eine Gesprächsrunde mit der Schauspielerin möglich war. Hier saßen nun einige vom Theater, deren Funktionen und Aufgaben ich mir nun wiederum nicht anmaße alle zuzuordnen, Freunde der Schauspielerin und weitere nachdenkliche Zuschauer - und die Soldaten, die beispielsweise erklärten, was man an ihrer Uniform alles ablesen kann. Zwei Welten, die sich für einander interessieren. Allein das hat für mich den Abend schon lohnend gemacht, das man mit einander ins Gespräch kommt. Über die Einsätze und das Alltagsleben, worin wohl die größten Unterschiede zu anderen Berufsgruppen liegen, was man sich wünscht als Soldat, ob man sich wieder für diesen Beruf entscheiden würde, kritische Stimmen zu den politischen Entscheidungen und die schon recht tiefgehende Frage, ob es auch Dinge gibt, für die die Soldaten sich schämen. Und mehrere Male die Aussage mir gegenüber: für mich wäre das nichts, wenn ich mir nur vorstelle, ein Soldat als Mann oder mein Sohn würde Soldat werden, nein, das ginge gar nicht. Also durchaus sehr kritische Meinungen. Aber es waren Dialoge, keine “Anfeindungen”, sondern Versuche zu verstehen.
Am prägnantesten bleiben für mich zwei Aussagen (ohne weiter auf den Kontext einzugehen, das führt an dieser Stelle zu weit, ich will das nun auch nicht werten, sondern nur schreiben, was sich mir am meisten eingeprägt hat).
Einmal zu den manchmal feindseligen Äußerungen, die Soldaten hören: Ein Erklärungsversuch war, dass man damit die Soldaten aus dem eigenen Blick wegzuschieben versuche, da ihnen der “Geruch des Todes” anhaftet, und damit wolle man sich nicht auseinandersetzen.
Und einmal dazu, warum man sich als Soldat bzw. Soldatenfamilie häufig rechtfertigen und Grundsatzdiskussionen führen muss: Es sei faszinierend, ähnlich wie bei Tiefgläubigen, dass die Soldaten feste Werte hätten und so konsequent dafür einstünden. Das gäbe so gute “Reibungsmöglichkeiten” und reize zu langen Diskussionen.
In der heutigen unverbindlichen, alles ermöglichenden, ergebnisoffenen, vielen Alternativen bietenden Welt sind die Soldaten also deshalb so faszinierend, weil sie ihre klaren Bekenntnisse haben und nach ihren Grundsätzen leben? Auf dieser Sichtweise muss ich noch ein bisschen herumdenken.
Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei
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